Die hier skizzierte Idee "Teilüberflutung Gropiusstadt" wird wegen der zu erwartenden ablehnenden Reaktionen aufgrund der Tsunami-Katastrophe in Asien nicht realisiert. Umgesetzt wird stattdessen eine neue Idee mit dem Titel → "Botanischer Lehrpfad Karl-Marx-Straße".
Matthias Schamp (geb. 1964) lebt in Bochum |
Liebe Birgit, lieber Uwe, man hat so seine liebe Not mit den Doppelidentitäten. Manchmal schmeißt man mit dem Arsch wieder um, was man mit dem Kopf mühsam aufgebaut hat. Ein bisschen kommt mir mein eigenes Vorgehen grad‘ so vor. Was ich als Theoretiker im Einstiegstext so hübsch postuliert habe (projektorientiertes Arbeiten), und was ja auch oft genug meinen Arbeitsansatz auszeichnet, löse ich mit meinem installativen Vorschlag eher nicht ein. Aber was soll ich machen - die Teilüberflutung ist mir nun mal ans Herz gewachsen. Und eins ist ja noch wichtiger als alle Theorie: Manchmal muss man sich im Widerspruch zu sich selbst bewegen. Sonst läuft es am Ende darauf hinaus, dass man nur noch ein Programm zur Ausführung bringt - und das ist im Grunde furchtbar öde. Insofern gehören gezielte Brechungen und Erwartungen-Enttäuschen ja auch zu meinem Arbeitsansatz. In diesem Sinne Matthias Teilüberflutung Gropiusstadt Projektskizze: Ein bestimmter Teil des öffentlichen Raums von Gropiusstadt wird mit einem Wall aus Sandsäcken umschlossen und sodann geflutet. Notwendige Maßnahmen: Anlieferung des Sandes, Bereitstellung von Säcken, Füllen der Säcke mit Sand, Schichten des Walls aus den Sandsäcken, Fluten des durch den Wall gebildeten Innenraums. Als Ort bietet sich ein öffentlicher Platz an. Der Untergrund sollte aufgrund von Pflasterung oder Asphaltierung weitgehend wasserundurchlässig sein. Im Inneren des Bereichs sollte sich ein Hydrant befinden, mittels dem sich die Flutung gewährleisten lässt. Welche Nutzung oder Interpretation die Bevölkerung für den gefluteten Bereich entwickelt (z. B. Brunnen, Planschbecken, Menetekel, Bierkühlvorrichtung), sollte möglichst wenig durch Vorgaben belastet werden. Gerade hinsichtlich des Begriffspaars 'Privatheit' versus 'Öffentlichkeit' stellt die Überflutung des öffentlichen Raums eine echte Herausforderung dar - selbst wenn sie aus Gründen der Rücksichtnahme nur in gemäßigter Form (eben als 'Teilüberflutung') stattfinden kann. Die Fernsehbilder von Flutkatastrophen haben sich jedem eingeschrieben. Plötzlich werden die Grenzen zwischen privaten Innenräumen und öffentlichem Außenraum aufgebrochen. Eine Art doppelte Inversion findet statt: Das Eindringen der Flut in Privathaushalte stellt einen extremen Einbruch einer plötzlich als feindlich empfundenen Außenwelt in einen bislang für sicher befundenen heimischen Bereich dar. Umgekehrt werden aus diesem heimischen Bereich unversehens Einrichtungsgegenstände herausgerissen und nach außen getragen, wo ihr plötzliches und ungeplantes Auftauchen ihnen ein öffentliches Leben und manchmal sogar mediale Aufmerksamkeit einhaucht. Als intime Zeugnisse menschlichen Daseins scheinen sie gerade durch ihr Außer-Funktion-Geraten für neue Formen von Zeichensetzung nutzbar. |